Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen. Das bringt große Herausforderungen, jedoch auch neue Chancen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Vom 28. bis 30. März setzten sich in einem interdisziplinären Symposium der Heidelberger Akademie der Wissenschaften renommierte Vertreter aus Wissenschaft, Politik und öffentlichem Leben mit aktuellen Fragen zum Älterwerden auseinander. Ursula Staudinger und der ehemalige Bundesminister und Vizekanzler Franz Müntefering hielten die Keynote-Vorträge zur Eröffnung der Veranstaltung „Altern: Biologie und Chance“.
Altern lässt sich gestalten
In ihrem Vortrag sprach Ursula Staudinger über die Veränderbarkeit des Alterns, die sich aus dem kontinuierlichen Zusammenspiel von Biologie, Kultur und Person schöpft. Sie betonte, dass eine Gesellschaft des längeren Lebens – entgegen gängiger Vorstellungen – ein hohes Leistungs- und Innovationspotenzial hat. Soziale Institutionen wie Arbeitsmarkt, Bildungs- und Gesundheitssystem müssen sich jedoch auf das längere Leben einstellen und sich entsprechend umbauen.
Aufgrund dieser soziokulturellen Gebundenheit des Alterns werden regelmäßig Unterschiede im Gesundheitszustand und der kognitiven Leistungsfähigkeit von alten Personen verschiedener Geburtskohorten beobachtet. Daraus ergibt sich, dass „das kalendarische Alter per se keinen Erklärungswert hat“, sagte Staudinger. Beispielsweise sind die heute 70-Jährigen hinsichtlich ihrer funktionalen Gesundheit etwa auf dem Stand von 60-Jährigen der vorherigen Generation. So konnten Staudinger und ihre Kollegen zeigen, dass England im Jahre 2040 – obwohl es dann chronologisch älter sein wird als heute – nicht weniger, sondern sogar mehr kognitive Leistungsfähigkeit haben wird. Aus dieser Veränderbarkeit des Alterns ergibt sich ein breiter Gestaltungsspielraum, den es zu nutzen gilt – in der Politik, in Unternehmen und für jede einzelne Person.
Franz Müntefering über Lebensqualität im Alter
Franz Müntefering sprach in seinem Vortrag von persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Sicht eines 79-Jährigen. Nach einem langen und erfüllten Leben richtet er seinen Blick nicht nur auf politische Fragen, sondern setzt sich auch aktiv mit Themen wie Lebensqualität, soziales Miteinander, Aktivität im Alter und dem Sterben „als letztem Teil des Lebens“ auseinander.
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften ist zugleich auch Landesakademie von Baden-Württemberg. Sie pflegt über ihre Mitglieder den regelmäßigen fächerübergreifenden Dialog und ermöglicht durch den freien wissenschaftlichen Austausch und ihre Interdisziplinarität Themen umfassend zu diskutieren und der Öffentlichkeit vorzustellen. So war auch diese Veranstaltung ein wichtiger Beitrag zu einem aktuellen Thema.