Auf dem Forschungsgipfel 2018 in Berlin kamen rund 400 Entscheider, Experten, Vordenker und Newcomer aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen, um darüber zu beraten, wie das deutsche Forschungs- und Innovationssystem weiterentwickelt werden kann. Wie schon in den Jahren zuvor galt es, gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln und – im Hinblick auf die kommenden Legislaturperioden und das nächste Forschungsrahmenprogramm der EU – Orientierung für strategische Entscheidungen zu geben.
Ursula Staudinger nahm an der Diskussionsrunde „Perspektiven für die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik“ gemeinsam mit sieben hochrangigen Repräsentanten von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil. Sie sagte, dass die Innovationsfähigkeit in einer Gesellschaft des längeren Lebens viele Stolpersteine zu überwinden habe. So sei beispielsweise das Vorurteil, dass Innovationsfähigkeit an ein bestimmtes kalendarisches Alter geknüpft wäre, sehr weit verbreitet. Allerdings zeige die Forschung, dass Innovationen per se nicht mit dem Alter einhergehen, sondern mit bestimmten Anreizbedingungen und mit der Fähigkeit, Menschen jeden Alters durch Lernen an der Entwicklung teilhaben zu lassen.
Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass die Investitionen, die Unternehmen in das Wissen und die Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen tätigen, als Vermögen sichtbar würden – in ähnlicher Weise wie dies bei Investitionen in Maschinen und Gebäude der Fall sei. Dies würde es ermöglichen, die MitarbeiterInnen eines Unternehmens vom Kosten- zum Vermögensfaktor (einschließlich der zugehörigen Abschreibungsperioden) zu wandeln. Unternehmen hätten so einen klaren Anreiz, in ein kontinuierliches „Updating-System“ in der beruflichen Weiterbildung zu investieren.
„Wenn es uns in einer Gesellschaft des längeren Lebens nicht gelingt, Menschen immer wieder auch auf ihrem jeweiligen Qualifizierungsniveau weiterzuentwickeln, können sie nicht innovativ bleiben“, sagte Staudinger. Die Forschung zeige auch, dass die spannendsten und nachhaltigsten Innovationen dort entstünden, wo junge und ältere Arbeitnehmer in Entwicklungsteams zusammenarbeiten. „Nachhaltige und erfolgreiche Innovation entsteht da, wo neues Wissen und gewachsene Erfahrungen und Fähigkeiten zusammengeführt und integriert werden“, betonte Staudinger.
Eine der großen Stärken Deutschlands sei das Ausbildungssystem in seiner ganzen Breite. „Meine Hoffnung ist, dass wir in Deutschland der Erwachsenenbildung – sei sie berufsbegleitend und auch außerhalb des Berufs – genauso viel Aufmerksamkeit und Investition widmen, wie wir das so fantastisch gemacht haben für die ersten 20 Jahre der Ausbildung am Anfang unseres Lebens“, sagte Staudinger. In der Gesellschaft des längeren Lebens sei eine Verantwortung entstanden, sicher zu stellen, dass wir auf gleicher Qualitätsebene weiterlernen können. Dies müsse der Normalfall und nicht die Ausnahme sein. „Sonst verlieren mehr und mehr Menschen den Anschluss – und unser Land seine Innovationskraft.“
Hier finden Sie den Mitschnitt zur Diskussionsrunde (Video-Clip 4, Forschungsgipfel 2018 – Diskussion Inner Circle 1):
An der Diskussion nahmen teil:
Thomas Bachem, Gründer und Kanzler der CODE University of Applied Sciences sowie Gründer und stellv. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V., Berlin
Prof. Dr. Heinz Bude, Lehrstuhlinhaber für Makrosoziologie an der Universität Kassel
Marc Elsberg, Science-Thriller-Autor (Blackout, Zero, Helix), München/Wien
Stefan Groschupf, Gründer und CEO der SalesHero Inc. sowie Gründer der Datameer Inc., San Francisco, USA
Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Berlin
Dr. Joachim Kreuzburg, Vorsitzender des Vorstandes der Sartorius AG, Göttingen
Prof. Dr. Ursula Staudinger, Psychologin und Alternsforscherin am Columbia Aging Center, Columbia University, NY, USA
Dr. Shermin Voshmgir, Gründerin des BlockchainHubs, Berlin, und Direktorin des Foschungsinstitutes für Kryptoökonomie an der Universität Wien
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